Grosse Unterschiede bei Mobilitätschancen für Schweizer Studierende
Nur jede neunte Hochschule in der Schweiz erreicht die internationalen und nationalen Mobilitätsziele der Schweiz. Dabei spielen die institutionellen Rahmenbedingungen für Studierende eine signifikante Rolle. Zu diesem Schluss kommt der erstmals publizierte Internationalisierungsindex der nationalen Agentur Movetia.
Die grosse Mehrheit der Schweizer Hochschulen bleibt bei der Studierendenmobilität noch weit weg von der Vision und den Zielen der nationalen Strategie von Bund und Kantonen sowie des Europäischen Hochschulraums (20 % der Absolvent:innen sollten Studien oder Praktikumserfahrung im Ausland ausweisen). Die durchschnittliche Mobilitätsquote der Schweizer Hochschulen liegt derzeit bei 15.7 %. Viele Hochschulen weisen eine wesentlich tiefere Quote aus.
Neuer Index für Internationalisierung vergleicht Mobilitätsquoten
Die nationale Agentur Movetia hat 2021 eine Studie in Auftrag gegeben, um die internationalen Mobilitätsquoten der Schweizer Hochschulen und begünstigende Faktoren zu untersuchen. Darauf basierend ist nun erstmals für die Schweiz ein Internationalisierungindex der Institutionen entstanden, der auch schweizweit die jeweiligen Mobilitätsquoten vergleicht. Ausgangslage bilden die Mobilitätsdaten des Bundesamts für Statistik (BFS). Sie geben Auskunft über das vorpandemische Mobilitätsverhalten der Studierenden mit Abschlussjahr 2020 (Bachelor und Master). Corona-bedingte negative Auswirkungen sind somit im Index nicht enthalten.
Grosse Unterschiede zwischen Hochschulen und überraschende Resultate
Die Mobilitätsquoten an den Schweizer Hochschulen variieren äusserst stark (zwischen 1 % und 50 %). Lediglich vier der 36 untersuchten Hochschulen erreichen die Zielmarke von 20 %. Die durchschnittliche Mobilitätsquote von 15.7 % mobilen Studierenden bei Studienabschluss (2020) wird nur dank der ausserordentlich starken Leistung der drei topplatzierten Institutionen erreicht.
Die Platzierung bei der Mobilitätsquote ist unabhängig vom jeweiligen Hochschultyp (universitäre Hochschulen, Fachhochschulen, pädagogische Hochschulen) und a priori auch keine Frage der Grösse oder des Alters der Hochschule oder der jeweiligen Sprachregion. So sind die Universität St. Gallen, die ETH Lausanne, die PH St. Gallen, die Università della Svizzera italiana sowie die Westschweizer Fachhochschule HES-SO die fünf Bestplatzierten (in dieser Reihenfolge). Dies zeigt, dass es für alle Hochschulinstitutionstypen trotz unterschiedlicher Ausgangslage möglich ist, hohe Mobilitätsquoten zu erreichen.
Rahmenbedingungen und Mindset entscheidend
Wenn Rahmenbedingungen und institutioneller Mindset stimmen, sind die Studierenden eher mobil. Die Studie zeigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Mobilitätsquote und dem jeweiligen Internationalisierungsgrad der Hochschule auf. Institutionen, die stark in einen oder mehrere Internationalisierungsfaktoren investieren, weisen eine höhere Mobilitätsquote aus. Als regelrechte Katalysatoren für Outgoing-Mobilität stechen dabei drei Faktoren heraus: international ausgerichtete Lehrangebote, ein internationales Studienumfeld sowie attraktive Rahmenbedingungen für Incoming-Studierende.
Relevanz für Wirtschaft und Innovationsstandort
Eine hohe Mobilitätsquote und die dazu notwendige Internationalisierung des Hochschulraums sind für den Innovationsstandort Schweiz und für die Wirtschaft von hoher Relevanz. Eine Austauscherfahrung während des Studiums bringt einen entscheidenden Mehrwert: wichtige interkulturelle, fachliche und persönliche Kompetenzen der Teilnehmenden werden gefördert und ihre Arbeitsmarktfähigkeit bei Studienabschluss sowie berufliche Karrierechancen sind höher (Studie DAAD). Mobilität ist somit für das Rüstzeug Schweizer Absolvent:innen von grundlegender Bedeutung und bringt hochqualifizierte Incoming-Studierende und -Praktikant:innen näher an Branchen mit Fachkräftemangel. Sie ist ausserdem ein wichtiger Treiber wissenschaftlichen Austauschs sowie der Vernetzung und Zusammenarbeit von Forschungs- und Bildungsinstitutionen.
Für Olivier Tschopp, Direktor von Movetia steht fest: «Die sehr deutlichen Unterschiede bei den Mobilitätsquoten zeigen den Schweizer Bildungsakteuren den grossen Handlungsbedarf auf, damit für alle Studierenden ähnliche Mobilitätsmöglichkeiten bestehen. Wir sehen nun klar, dass es nicht an den Studierenden allein liegt, ob sie mobil werden oder nicht. Die Schweizer Hochschulen und die nationalen Rahmenbedingungen tragen entscheidend zur Erreichung der gesetzten Mobilitätsziele bei, damit der Bildungs- und Innovationsstandort Schweiz attraktiv bleibt.»
Der neue Internationalisierungsindex mit seinen Mobilitätsquoten verdeutlicht, wie ein systematisches Angehen der Mobilitätsförderung entscheidend ist: von Hochschul-Governance und strategischer Zielsetzung bis auf Ebene Studienprogramm-Design. Der Index zeigt klar auf, wo viele Schweizer Hochschulen Handlungsbedarf haben und bietet den Schweizer Hochschulen und ihren Trägerschaften aufschlussreiche Erkenntnisse sowie wichtige Impulse und Best Practices zur Umsetzung einer erfolgreichen Internationalisierung und Mobilitätsförderung.