Lernende stärken während eines Austauschs ihr Selbstvertrauen

Lina, Fabian und Nuria erlebten während ihrer Berufslehre einen Austausch in Schweden. Welche kulturellen Unterschiede es gibt, wie sie Herausforderungen gemeistert haben und welchen Effekt der Austausch auf ihr Selbstvertrauen hatte, erfahren Sie im Erfahrungsbericht.  

Lernende während eines Austauschs in Skandinavien

Text: Rea Wittwer, Bilder: Mélanie Baierlé

Schweiz, Schweden – diese beiden europäischen Länder werden anderswo gerne vertauscht oder gar in einen Topf geworfen. Dabei zeigen sich die Unterschiede schon im Kleinen: «Was mich während meiner drei Wochen an meinem Arbeitsplatz bei ABB Machines in Västerås am meisten erstaunte, sind die langen Kaffeepausen, die drei Mal täglich stattfinden. Sie sagen dem Fika. Die erste Fika gibt’s schon um 9 Uhr morgens, dabei starten sie doch erst nach 8 Uhr», erzählt Nuria Regensburger, 18, in der Ausbildung zur Kauffrau bei libs in Baden, und lacht dabei. Die aufgestellte KV-Lernende hat sich als eine von 15 libs-Lernenden für den Austausch in Schweden qualifiziert und konnte so in Västerås schwedische Arbeitsluft schnuppern. Nurias Erfahrungen, die sie im Oktober 2017 machen durfte, klingen tatsächlich etwas anders als jene, die sie hier in der Schweiz sammelt. «Pünktlichkeit, Ordnung und eine saubere Arbeitsorganisation ist in der Schweiz sehr wichtig. In diesen Bereichen konnte ich meinen Kollegen in Schweden recht vieles mitgeben.» 

Die reisebegeisterte junge Frau kann auf einen Austausch in den USA und Frankreich zurückblicken und hat mit ihren Eltern schon viel von der Welt gesehen. Ängste oder grosse Befürchtungen vor dem Schweden-Aufenthalt hatte sie deshalb keine. «Klar, dass ich gut Englisch spreche hat sicher geholfen. Meine Gastfamilie war sowieso sehr zuvorkommend, sympathisch und ich wurde gut aufgenommen, auch bei der Arbeit. Die Du-Kultur in Schweden erleichtert natürlich einiges.» Nuria würde am liebsten gleich sofort wieder bei einem Mobilitätsprojekt mitmachen, doch jetzt gilt es erstmal die KV-Ausbildung bei libs erfolgreich zu beenden.

Flabio
Nuria

Obwohl der administrative Aufwand einige Zeit beansprucht: Die glänzenden Augen der Lernenden wenn sie gestärkt, voller Elan und mit neuem Selbstvertrauen zurückkommen, motivieren mich immer wieder aufs Neue.

Selbstvertrauen aufbauen

Andreas Guntern, 56, Berufsbildner und Verantwortlicher des Mobilitätsprojekts bei libs, kümmert sich seit über 10 Jahren um die Austausche zwischen der Schweiz und Schweden. «Ich bin ein alter Hase diesbezüglich», berichtet der dreifache Familienvater, «und obwohl der administrative Aufwand einige Zeit beansprucht: Die glänzenden Augen der Lernenden wenn sie gestärkt, voller Elan und mit neuem Selbstvertrauen zurückkommen, motivieren mich immer wieder aufs Neue.» Andreas Guntern kann bei der Organisation auf die Unterstützung von Movetia zurückgreifen, falls nötig. Die Schweizer Agentur für Austausch und Mobilität unterstützt das Projekt mit Reise-, Organisations- und Aufenthaltspauschalen auch finanziell – ohne diese Unterstützung wäre die Durchführung nicht möglich.

Aus 25 Bewerbungen für die Teilnahme am Mobilitätsprojekt, können jeweils 15 Lernende ausgewählt werden, die für drei Wochen nach Schweden fahren dürfen. «Sie arbeiten in einem Unternehmen mit technischer oder elektronischer Ausrichtung. Und wie Nuria wohnen die Lernenden bei einer Gastfamilie daheim, eingebettet in den nordischen Alltag.» Dieser Familienanschluss sei sehr wichtig, berichtet Andreas Guntern weiter, und in den wenigsten Fällen gäbe es Probleme. «Die Jugendlichen erhalten so nicht nur bei der Arbeit, sondern auch in der Freizeit Einblick in die andere Kultur.» Drei Wochen auf den eigenen zwei Beinen stehen, fremde Menschen kennenlernen, sich in einem unbekannten Berufsumfeld zurechtfinden und dabei sich selber ein Stück weit neu kennenlernen – dass sich all diese Erfahrungen positiv aufs Selbstvertrauen auswirken liegt auf der Hand. 

Andreas Guntern

Ängste abbauen

Auch Fabian Isenschmid, 17, Automatiker in Ausbildung bei libs, schwärmt von seinem Schweden-Aufenthalt: «Ich habe nicht lange gezögert, als die Möglichkeit zur Teilnahme auftauchte. Eine neue Kultur, fremde Menschen kennenzulernen und internationale Berufserfahrung zu sammeln, das hat mich sehr gereizt», sagt Fabian. Klar habe er sich auch ein bisschen überwinden müssen. Alleine reisen, zum ersten Mal ohne Eltern in ein anderes Land, die fremde Sprache... «Es hat aber super geklappt, von der Hinreise über den Aufenthalt bis zum Rückflug war alles gut organisiert.» Andreas Guntern führt mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor der Abreise jeweils einen Vorbereitungsworkshop durch; Allgemeines zu Themen wie Sprache, Kultur, Ablauf und Reise haben dort Platz. Für Fabian war dies genau das Richtige, um Ängste abzubauen.

Und seine einzige Befürchtung traf dann gar nicht ein: «Ich dachte mir vorher, dass es vielleicht ein bisschen komisch wird, bei fremden Menschen daheim zu wohnen. Und auch bei der Arbeit – lauter neue Menschen und Arbeitsschritte. Aber das war dann alles kein Problem.» Fabians Arbeit im grössten Druckereiunternehmen Schwedens beinhaltete vor allem mechanische und elektronische Tätigkeiten. «Während drei Wochen konnten wir eine Maschine wieder auf Vordermann bringen. Wir wurden regelmässig instruiert, durften danach aber jeweils sehr selbständig arbeiten.» Sein grösstes Erfolgserlebnis: Just am letzten Tag seines Aufenthaltes waren die Arbeiten abgeschlossen und die Maschine funktionierte wieder tipptopp.

«Meine Eltern fanden es gut, dass ich mich dieser Herausforderung gestellt habe und unterstützten mich dabei. Und auf die Kollegen kann man ja auch mal drei Wochen verzichten», sagt Fabian und grinst. Ihm sei aufgefallen, dass die Schweden offener und herzlicher seien als viele Schweizer und er fühlte sich deshalb sowohl in der Familie als auch bei der Arbeit gut integriert.

Ich dachte mir vorher, dass es vielleicht ein bisschen komisch wird, bei fremden Menschen daheim zu wohnen. Und auch bei der Arbeit – lauter neue Menschen und Arbeitsschritte. Aber das war dann alles kein Problem.

Erinnerungsstücke zusammenbauen

Ein fremdes Land zu entdecken ist spannend – und jemandem seine eigene Kultur näherbringen kann genauso viel Freude bereiten. Lina Norling, 18, Studentin am ABB Industrigymnasium in Västerås, befindet sich gerade im Austausch bei libs und wohnt bei einer Gastfamilie ausserhalb Badens. «Ich war vorher noch nie in einem anderen Land, wir reisen nicht oft umher», erzählt die junge Frau. «Deshalb hatte ich schon grossen Respekt vor dem Mobilitätsprojekt. Aber ich habe mich sehr darauf gefreut, fühle mich sehr wohl in meiner Gastfamilie und die Arbeit bei libs macht mir Spass.» Dass der Bus immer so pünktlich fahre und direkt vor libs hält, sei super, meint sie.

Lina, die am Industrigymnasium hauptsächlich Theorie büffelt, kann von den praxisbezogenen Arbeiten in den Lernstätten von libs profitieren und eine Menge dazulernen. In den drei Wochen bauen die Schwedischen Austauschstudenten eine Tischlampe und lernen dabei das Löten, mechanische Bearbeitung, Montage und andere Fertigkeiten. Zwei libs-Lernende kümmern sich dabei ständig um die schwedischen Austauschstudenten – ihr gemeinsames Ziel: nach drei Wochen Schweiz-Aufenthalt die selbstgemachten Tischlampen sowie viele neue Erfahrungen und Eindrücke heim nach Schweden zu bringen. 

Passende Förderangebote

  • Austausch für Lernende

    Als Lernende und Lehrabsolvent:in (EFZ, EBA, BM) einfach zu Berufserfahrung im Ausland oder in anderen Sprachregionen der Schweiz kommen. 

Passend zum Thema

  • Dank afrikanisch-schweizerischer Zusammenarbeit entsteht eine Ausbildung für landwirtschaftliches Unternehmertum

    Dank afrikanisch-schweizerischer Zusammenarbeit entsteht eine Ausbildung für landwirtschaftliches Unternehmertum

    Mehrere landwirtschaftliche Ausbildungszentren in der Schweiz, Kamerun und der Elfenbeinküste bündeln ihr Fachwissen, um einen Kurs über landwirtschaftliche Unternehmerkompetenzen zu entwickeln. In der Pilotdurchführung wird der Inhalt des Kurses an Studierende aus der Elfenbeinküste, Kamerun und der Schweiz vermittelt. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wird das Kursmodul in seine endgültige Form gebracht und kann von Ausbildungsinstitutionen in der Schweiz und im Ausland verwendet oder sogar in die Ausbildungspläne integriert werden. 

  • Ein Austausch macht eine Lehre attraktiver

    Ein Austausch macht eine Lehre attraktiver

    Bereits während der Ausbildung Arbeitserfahrung im Ausland sammeln. Das ermöglichte das Universitätsspital Zürich vier Lernenden im Rahmen eines Pilotprojektes. Linda Bosson war eine von ihnen und kehrte mit vielen Erfahrungen und zahlreichen Eindrücken zurück.