Ein Austausch macht eine Lehre attraktiver
Bereits während der Ausbildung Arbeitserfahrung im Ausland sammeln. Das ermöglichte das Universitätsspital Zürich vier Lernenden im Rahmen eines Pilotprojektes. Linda Bosson war eine von ihnen und kehrte mit vielen Erfahrungen und zahlreichen Eindrücken zurück.
«Ich schätze es enorm, dass ich bereits während meiner Ausbildung die Gelegenheit erhalten habe, Arbeitsluft in einem anderen Land zu schnuppern», zeigte sich Linda Bosson, Lernende Fachfrau Gesundheit EFZ am USZ, nach ihrer Rückkehr begeistert. Sie kommt nun ins dritte Lehrjahr und kann sich vorstellen, später beispielsweise als Travel Nurse in unterschiedlichen Ländern zu arbeiten.
Ermöglicht hat ihr diese erste Auslanderfahrung ihr Lehrbetrieb, das USZ. Das USZ bildet unter anderem rund 120 Lernende zu Fachpersonen Gesundheit EFZ aus. Vier Lernende im 2. Lehrjahr durften im Rahmen eines Austauschprojektes ein Berufspraktikum an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) absolvieren. Im Gegenzug dafür werden voraussichtlich im Herbst 2022 rund fünf Lernende des UKE in die Schweiz reisen und vom USZ betreut werden.
Wertschätzung für junge Talente
Stephan Nabholz ist Leiter Berufsbildung am USZ und hat das Pilotprojekt gemeinsam mit dem Team angestossen – angesichts der knappen Ressourcen in der Gesundheitsbranche keine Selbstverständlichkeit: «Die Attraktivität eines Berufs beginnt mit der Ausbildung, das gilt für alle Branchen. So ist dieses Pilotprojekt eine von vielfältigen Fördermassnahmen, mit denen wir am USZ junge Talente motivieren und unterstützen wollen.» Um ein solches Austauschprojekt umsetzen zu können, braucht es neben der Bereitschaft der Lernenden auch die Unterstützung der Berufsbildner:innen, der Führungskräfte, der Eltern der teilweise noch minderjährigen Lernenden sowie externen Support. In diesem Fall hat die Fachstelle Austausch und Mobilität des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes (MBA) des Kantons Zürich das Vorhaben begleitet und Movetia, die nationale Agentur für Austausch und Mobilität, sowie der Berufsbildungsfonds des Kantons Zürich haben das Projekt finanziell unterstützt.
Hohe Motivation und Freude am Beruf
Die Möglichkeit, am UKE ein dreiwöchiges Berufspraktikum absolvieren zu können, wurde am USZ ausgeschrieben. Die Lernenden konnten sich mit einem Motivationsschreiben bewerben und wurden dann zu Gesprächen eingeladen. «Die Motivation und Freude am Lernen waren neben konsistent guten Leistungen in der Praxis und einem hohen Notendurchschnitt von mindestens 5.0 in der Berufsschule Hauptkriterien für die Auswahl der Talente», so Sandra Moser, Bildungsverantwortliche Pflege am USZ. «Wir haben vier Talente ausgewählt, die eine rasche Auffassungsgabe haben, die besonders grosse Begeisterung und Mut zeigten, Neues zu lernen, und die auch über entsprechendes Reflexionsvermögen verfügen.»
Wertvolle Erfahrungen …
An die typisch hamburgische «Klappstulle» zum Frühstück, fremdartige Begriffe und ungewohnte Abläufe musste sich Linda Bosson erst gewöhnen, doch schnell war klar: Vom Austausch im Norden Deutschlands würde sie mit einem Rucksack wertvoller Erfahrungen heimkehren. Zusammen mit drei weiteren Lernenden des USZ durfte Linda in der berufsschulfreien Sommerzeit den Alltag ihrer deutschen Berufskolleginnen und -kollegen kennenlernen und diese tatkräftig unterstützen. Linda verbrachte die erste Woche ihres Austauschs in der Herzchirurgie und die zwei weiteren auf der neurologischen Abteilung. Dort beeindruckte sie der Umgang mit den teilweise schwer pflegebedürftigen Patientinnen und Patienten sehr. Die Lernende, die bisher hauptsächlich Erfahrung im Bereich Dermatologie mitbringt, wurde in die Pflege, Mobilisation, Alltagsgestaltung und soziale Begleitung von Menschen eingebunden, die zum Beispiel einen Schlaganfall erlitten hatten. «Für mich war der Austausch mit spannenden Einblicken in das Gesundheitssystem Deutschlands, das sich in Bezug auf die Abläufe und die Kompetenzen der Pflegefachkräfte unterscheidet, sehr wertvoll», so Linda Bosson.
… und lehrreiche Einblicke
«Ein solcher Austausch fördert die Selbstständigkeit gerade von jungen Leuten. Sie lernen neue oder andere Wege kennen, entwickeln ihr berufliches Selbstverständnis weiter und erfahren mehr über ihr Berufsbild», ist Sandra Moser überzeugt. Das kann Linda Bosson nur bestätigen: «Ich konnte nicht nur in einen neuen medizinischen Bereich hineinsehen, sondern durfte andere Ansätze der Pflege und neue Arbeitsabläufe kennenlernen, was ich für meine Entwicklung als sehr wertvoll erachte. Ich habe durch diesen Austausch vor allem in persönlicher Hinsicht profitiert: Ich bin offener dafür geworden, auf fremde Menschen zuzugehen und weiss, dass ich mich mit etwas Routine überall zurechtfinden kann», resümiert die engagierte Lernende.
Sandra Moser hofft, dass der Austausch die Teilnehmenden nachhaltig prägt und begeistert und dass sich die Energie der Talente auch auf andere Mitlernende überträgt: «Die vier können als Vorbilder dienen und zeigen, dass Träume Wirklichkeit werden, wenn man engagiert ist.» Apropos Traum, für Linda Bosson ist klar, wie es beruflich weitergehen soll: «Nach meiner Ausbildung möchte ich zuerst drei Monate reisen und anschliessend die Höhere Fachschule Pflege besuchen.»
Der Artikel ist zuerst erschienen auf talentfoerderungplus.ch, der Kampagnenwebsite des Mittelschul- und Berufsbildungsamts (MBA) des Kantons Zürich.