Ein Jahr Freiwilligeneinsatz - ein Jahr voller Wachstum

Ein Freiwilligeneinsatz im Ausland bietet nicht nur berufliche Erfahrungen, sondern auch wertvolle persönliche Lektionen. Geneviève erzählt, wie sie in Genua neue Kulturen kennenlernen durfte, ihre Sprachkenntnisse erweiterte und über sich hinauswuchs – und vor allem, wie sie unvergessliche Erfahrungen gesammelt hat.

Mein Name ist Geneviève Meuwly, und im September 2022 bin ich in die Hafenstadt Genua in Italien gereist, um mein Freiwilligenjahr zu absolvieren. Bereits während meiner Fachmaturität war mir klar, dass ich nach dem Abschluss ein Zwischenjahr einlegen und Berufserfahrung im Ausland sammeln wollte. Die klassischen Angebote wie ein Au-Pair-Aufenthalt oder andere Langzeitaufenthalte sprachen mich jedoch nicht wirklich an und überstiegen auch mein Budget. Als ich schliesslich bei einer Informationsveranstaltung vom Europäischen Freiwilligeneinsatz erfuhr, war mir sofort klar, dass dies der richtige Weg für mich war. Besonders reizvoll fand ich die Möglichkeit, nicht nur wertvolle berufliche Erfahrungen im Ausland zu sammeln, sondern auch die finanzielle Unterstützung durch Movetia zu erhalten. 

Entscheid für Genua

In Genua arbeitete ich in einem Projekt mit Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Kulturen. Meine Hauptaufgaben bestanden darin, sie nach der Schule zu betreuen, bei den Hausaufgaben zu unterstützen, kreative Aktivitäten zu gestalten und dreimal wöchentlich mit ihnen zu essen. Ich entschied mich bewusst für dieses Projekt, da ich bereits durch meine Erfahrungen beim Blauen Kreuz in der Jugendarbeit tätig war und wusste, dass mir diese Arbeit grosse Freude bereitet. Zudem war es mir wichtig, weiterhin im sozialen Bereich Berufserfahrung zu sammeln und meine Fähigkeiten in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen weiter auszubauen.

Als ich schliesslich bei einer Informationsveranstaltung vom Europäischen Freiwilligeneinsatz erfuhr, war mir sofort klar, dass dies der richtige Weg für mich war.

Mein berufliches Ziel hat sich während meines Freiwilligeneinsatzes nicht verändert, sondern wurde vielmehr gestärkt. Bereits vor meiner Abreise nach Genua hatte ich mich an der Fachhochschule für Soziale Arbeit in Luzern beworben und befand mich mitten im Aufnahmeprozess, als mein Freiwilligeneinsatz begann. Ich habe trotzdem mein Freiwilligeneinsatz gestartet, da mir klar war, dass es eine wertvolle Erfahrung sein wird, die mich auf meinem beruflichen Weg bestärken würde.

Erfahrungen vor Ort

Die Integration in mein Gastland verlief insgesamt sehr gut. Da wir eine grosse Gruppe von Freiwilligen waren, die an verschiedenen Projekten arbeiteten, konnte ich viele bereichernde Kontakte knüpfen. Genua ist eine Stadt mit vielen jungen Menschen aus verschiedenen Ländern, die dort arbeiten oder studieren. Dadurch ergaben sich zahlreiche Gelegenheiten, neue Menschen kennenzulernen, auch wenn viele von ihnen, wie ich, nicht aus Italien stammten. Die Offenheit und Herzlichkeit der Menschen in Genua erleichterte es mir, ins Gespräch zu kommen – sei es in Cafés oder in kleinen Geschäften wie Obst- und Gemüseläden. Besonders wertvoll war die enge Gemeinschaft der Freiwilligen, aus der sich enge Freundschaften entwickelten. Der Grossteil meiner Zeit verbrachte ich mit diesen neuen Freund:innen. Die Herausforderung bestand darin, ausserhalb dieser Gruppe weitere Kontakte zu knüpfen – besonders an Arbeitsplätzen, an denen es nur wenige Mitarbeitende gab.

Arbeitsablauf in der Kinderbetreuung

Ein typischer Arbeitstag begann für mich erst am Mittag. Ich holte die Kinder von der Schule ab und begleitete sie in die Mensa, in der etwa 30 von ihnen gemeinsam assen. Nach dem Essen halfen wir Freiwilligen beim Aufräumen und Putzen der Mensa, bevor wir zu einem der fünf Standorte in der Stadt gingen, um gemeinsam mit den Kindern Hausaufgaben zu machen. Im Laufe des Nachmittags kamen weitere Kinder hinzu, sodass wir gegen Ende des Tages etwa 50 Kinder betreuten. Diese Nachmittage waren oft die hektischsten Stunden des Tages. Viele Kinder benötigten Unterstützung bei den Hausaufgaben, und die Lautstärke war nicht immer leicht zu bewältigen. Nach den Hausaufgaben hatten die Kinder Zeit zum Spielen, während wir Freiwilligen aufräumten, das Zvieri vorbereiteten und die Kinder beim Spielen beaufsichtigten oder selbst mitspielten. Um 17:30 Uhr brachten wir die Kinder zum Haupttreffpunkt, wo sie von ihren Eltern oder Bekannten abgeholt wurden. Danach tauschten wir Freiwilligen uns über den Tag aus und klärten eventuelle organisatorische Fragen. Mein Arbeitstag endete normalerweise gegen 18:00 oder 18:30 Uhr.

Sprachliche Herausforderung

Die Sprache stellte zu Beginn eine grosse Herausforderung dar, da ich kaum Italienisch sprach. Es war schwierig, mit den Kindern zu arbeiten, ohne mich richtig mit ihnen verständigen zu können. Doch die Arbeit mit den Kindern bot auch eine Chance, da ich mit ihnen auf einem einfachen Sprachniveau beginnen konnte, besonders bei den Hausaufgaben der Erstklässler:innen. DeepL war in den ersten Monaten mein ständiger Begleiter, doch die Kinder kamen von sich aus auf mich zu, um nach Hilfe zu fragen, wodurch ich schnell Fortschritte machte.

Die Arbeit mit so vielen Kindern war oft anspruchsvoll und herausfordernd. Es war fast immer laut, und besonders an Tagen mit vielen Hausaufgaben war es schwierig, den Überblick zu behalten. Jedes Kind forderte uns auf individuelle Weise heraus. Um solche Situationen zu bewältigen, war es entscheidend, dass wir als Team gut zusammenarbeiteten und uns gegenseitig unterstützten. Wir etablierten feste Pausen am Nachmittag, damit jede:r von uns kurz abschalten konnte. Diese enge Zusammenarbeit im Team war die wichtigste Strategie, um die täglichen Herausforderungen zu meistern.

Mehrwert durch den Freiwilligeneinsatz

Was diese Erfahrung in meinem Leben hinterlässt, sind nicht nur berufliche Fähigkeiten, sondern auch ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Die Arbeit mit den Kindern, das Leben in einer fremden Stadt und das Meistern sprachlicher und kultureller Herausforderungen haben mich dazu gebracht, über mich hinauszuwachsen. Diese Zeit hat meinen Wunsch, im sozialen Bereich zu arbeiten, nicht nur bestätigt, sondern auch vertieft. Es war eine prägende Lebensphase, die mir gezeigt hat, dass ich mich in fremden und herausfordernden Situationen behaupten kann.

Gewappnet für die berufliche Zukunft

Während meines Freiwilligeneinsatzes habe ich in vielerlei Hinsicht wertvolle Fähigkeiten entwickelt, die mich sowohl beruflich als auch persönlich weitergebracht haben. Beruflich konnte ich meine Kompetenzen in der Betreuung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen erweitern. Ich lernte, wie wichtig es ist, in chaotischen Situationen Ruhe zu bewahren, Prioritäten zu setzen und mit unterschiedlichen Bedürfnissen flexibel umzugehen. Diese Fähigkeit, mich auf die individuellen Herausforderungen einzulassen und gleichzeitig das Wohl der Gruppe im Blick zu behalten, wird mir auch in meinem weiteren beruflichen Werdegang im sozialen Bereich von grossem Nutzen sein.

Neue Erfahrungen in der Kommunikation

Sprachlich war der Freiwilligeneinsatz eine intensive Lernreise. Zu Beginn war mein Italienisch kaum vorhanden, doch durch den ständigen Kontakt mit den Kindern und dem täglichen Austausch in der lokalen Gemeinschaft machte ich schnell Fortschritte. Ich lernte nicht nur die Sprache, sondern auch, wie wichtig nonverbale Kommunikation sein kann, insbesondere wenn Sprachbarrieren vorhanden sind. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass Kommunikation weit über Worte hinausgeht.

Soft Skills erweitert

Sozial hat mich der Freiwilligeneinsatz ebenfalls stark geprägt. Durch die Arbeit im Team habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich auf andere verlassen zu können und gleichzeitig selbst eine Stütze zu sein. In einer so multikulturellen Umgebung habe ich nicht nur andere Kulturen besser kennengelernt, sondern auch meine interkulturellen Kompetenzen geschärft. Die Fähigkeit, sich in unterschiedlichen sozialen Kontexten zurechtzufinden und Brücken zwischen verschiedenen Hintergründen zu schlagen, hat mich enorm bereichert.

Erfahrungen fürs Leben

Die prägendsten Erinnerungen stammen vor allem aus der Zusammenarbeit mit den Kindern. Ihre Offenheit, ihre Neugierde und der Spass, den sie beim Lernen und Spielen hatten, haben mich immer wieder inspiriert. Besonders erinnere ich mich an Momente, in denen die Sprachbarrieren plötzlich keine Rolle mehr spielten – etwa, wenn wir gemeinsam lachten oder kreativ wurden. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, dass es oft die kleinen, scheinbar alltäglichen Begegnungen sind, die den grössten Eindruck hinterlassen.

Wenn ich meinen Freiwilligeneinsatz in einem Satz zusammenfassen müsste, würde ich sagen: „Ein aufregendes Abenteuer, das ich allein begonnen habe und durch wertvolle Erfahrungen, neue Freundschaften, erweiterte Fähigkeiten und persönliches Wachstum bereichert beendet habe.“

Ich lernte nicht nur die Sprache, sondern auch, wie wichtig nonverbale Kommunikation sein kann, insbesondere wenn Sprachbarrieren vorhanden sind.

Ratschläge für zukünftige Freiwillige

Mein wichtigster Ratschlag für junge Erwachsene, die zögern, am Europäischen Freiwilligeneinsatz teilzunehmen, ist: Wage den Sprung ins kalte Wasser! Ein Freiwilligeneinsatz ist eine einmalige Chance, von der du nur profitieren kannst. Ja, es wird sowohl positive als auch herausfordernde Erfahrungen geben, aber genau das macht diese Reise so wertvoll. Du wirst viel über dich selbst lernen und dabei die Möglichkeit haben, über deine bisherigen Grenzen hinauszuwachsen. Die Erfahrungen, die du machst, sind eine Bereicherung für dein Leben – sowohl beruflich als auch persönlich. Deshalb kann ich nur sagen: Trau dich, stürze dich in dieses unglaubliche Abenteuer und lass dich überraschen, wie viel es dir zurückgeben wird.

Für eine erfolgreiche Bewerbung im Rahmen des Europäischen Freiwilligeneinsatzes ist Ehrlichkeit der Schlüssel. Es geht nicht darum, den Lebenslauf künstlich aufzuwerten oder über Berufserfahrung und Sprachkenntnisse zu glänzen. Diese Fähigkeiten sind zwar hilfreich, aber nicht entscheidend. Selbst wenn man noch keine spezifischen Erfahrungen gesammelt hat und das Sprachniveau nur bei A1 liegt, stehen die Chancen sehr gut. Am besten ist es, wenn man sich auf eine authentische Weise vorstellt, seine bisherigen Erfahrungen schildert und die Motivation für den Freiwilligeneinsatz sowie die Pläne für die Zukunft klar formuliert. Mit diesen Tipps gelingt eine erfolgreiche Bewerbung.

Was ich gerne vor meiner Abreise gewusst hätte, ist, dass man nicht alles perfekt planen kann – und das ist auch in Ordnung. Es wird Momente geben, in denen nicht alles nach Plan läuft, aber gerade diese Herausforderungen sind es, die dich wachsen lassen. Es ist wichtig, flexibel zu bleiben und sich selbst den Raum zu geben, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Ich würde zukünftigen Freiwilligen raten, offen für das Unvorhergesehene zu sein und sich darauf zu verlassen, dass man auch aus schwierigen Situationen wertvolle Lehren ziehen kann. Letztendlich wirst du feststellen, dass die schwierigsten Momente oft die sind, die dich am meisten prägen und dir am längsten in Erinnerung bleiben.

Passende Förderangebote

  • Freiwilligeneinsatz leisten

    Junge Erwachsene können in der Schweiz oder in Europa ein gemeinnütziges Projekt in einem Bereich Ihrer Wahl aktiv unterstützen.

Passend zum Thema

  • Alpen-HipHop Connection - Berliner Rap in den Schweizer Alpen

    Alpen-HipHop Connection - Berliner Rap in den Schweizer Alpen

    Anfangs August führten 19 Junge aus Berlin, Bern und Ludwigsburg ein Musik-Camp in den Alpen durch. Ein Paradigmenwechsel für urbane Zeitgenossen war die ländliche Gegend in Saanen allemals.  Entstanden ist ein Musikalbum mit 12 Liedern, welches am 27. September 2024 überall erscheint: „Nichts für Immer“. Dieses Projekt wurde dank der finanziellen Unterstützung von Movetia ermöglicht.

  • Ein Jahr nationaler Jugendaustausch

    Ein Jahr nationaler Jugendaustausch

    Im Jahr 2023 fanden die ersten Projekte im Rahmen des neuen nationalen Förderangebots in der ausserschulischen Jugendarbeit statt. Es ermöglicht kleine Austauschprojekte, die mit wenig Ressourcen organisierbar sind. Perfekt für Menschen, die nicht an einem längeren Projekt im Ausland teilnehmen können oder wollen.